Das Heilende im getanzten Gesang

Artikel (Auszug) in Zeitschrift "Kreise ziehen" 2001

Als Ärztin und Heilpraktikerin und Gesangstherapeutin ist für mich der heilende Aspekt in meiner Arbeit essentiell. Mein Leben lang suchte ich nach Formen des Heilens. Ich wollte "Menschen helfen". Deswegen fing ich an, Medizin zu studieren, Astrologie und Naturheilkunde, u.a.
Gesang und auch Tanz blieben damals überwiegend mein Hobby, obwohl ich eine klassische Gesangsausbildung abgeschlossen hatte. Die Heilungsmethoden, mit denen ich arbeitete, wurden mit den Jahren immer energetischer. Ich wandte mich zunehmend Homöopathie und Akupressur zu. Die kraftvolle, heilende Wirkung von Gesang wurde dann bald zu meinem zentralen Arbeitsfeld und meiner Lebensaufgabe, der ich jetzt schon seit 17 Jahren intensivst nachgehe. Die Verbindung von Singen und Bewegung mit Atemtherapie, Tönen, Ritualen und Tänzen sind zu meiner ganz persönlichen Heilungsform geworden, bei der meine eigene Freude eine essentielle Rolle spielt!

Singen und Tönen sind eine sehr direkte Form des Ausdrucks. Über Singen und Tönen erlebe ich mich in meinem Innersten, finde den direkten Kontakt zu meinem Wesenskern und mache mich auch hörbar und sichtbar. Ich kann mich nicht verstecken, ich bin präsent. Und in dieser nackten Wahrheit bin ich sowohl kraftvoll als auch verletzlich. Selber singen und auch besungen werden mit besonderen Gesängen bringt blockierte (verdichtete) Energien in eine höhere Schwingung. Emotionen kommen ins Fließen, Schmerzen lösen sich auf. Es passiert Heilung.
Zusammen zu tönen, zu singen und singend zu tanzen bringt alle TeilnehmerInnen in eine höhere energetische Schwingung und in eine innige Verbindung zueinander. Egal, wie ich aussehe, egal, wie meine Stimme ist, die Freude und Liebe öffnet und verbindet uns. Immer wieder berichten TeilnehmerInnen nach einem Workshop von einer noch wochen- oder monatelang anhaltenden Energiequelle und von einem nicht aufhörenden Schwingen und Singen in sich. Die Gesänge, die ich verwende, handeln meistens von Spiritualität und Mutter Erde. Ein paar Beispiele:

 

1. The river is flowing

Auch wenn ich dieses Lied schon endlos oft gesungen habe, langweilt es mich nie. Immer wieder anders berührt dieses Lied mich und die anderen aufs Tiefste. Es auch in Deutsch zu singen, finde ich wichtig (in der Gruppe trifft dies manchmal auf Widerstand). Wir erleben hier einen ganz andere emotionale Qualität als mit dem englischen Text, der mehr fließt.

Tanzbewegung:

The river... Grapevine Step/Mayim-Schritt im Uhrzeigersinn down to the sea: Ein Wechselschritt zum Zentrum und zurück. Die Hände schwingen mit.. Mother (Earth) carry me....: Kind rollt nach rechts in Mutters Arme und wird geschaukelt. down to the sea: Kind dreht sich rechtsherum aus der Umarmung raus und landet damit einen Platz weiter im Kreis. Im zweiten Teil des Tanzes wird also jede/r erste Tanzende Mutter sein und jede/r zweite Kind. So "rollen" die Kinder durch den Kreis! Natürlich können danach die Rollen gewechselt werden.
Wirkung dieses gesungenen Heiltanzes: Tränen kommen ins Fließen, Berührtsein, das Thema Getragenwerden wird tief erfahren, auch das Thema Mutter/Kind. Eine liebevolle Innigkeit entsteht, auch viel Spaß, Freude und Lachen. Interessant ist, wie jede Frau anders schaukelt und in Kontakt geht und wie jedes Kind sich anders anfühlt.

 

2. Gaté gaté

Von diesem Lied gibt es mehrere Melodien. Für diesen Tanz wird die altbekannte Melodie verwendet.

Tanz:

1. Gaté gaté: R, L, R, L schreiten im Uhrzeigersinn. Die Hände vom Herzen aus öffnen, 2mal. 2. paragaté: Körper zur Mitte drehen, die Hände im Kreis in Stupa-Haltung, vier kleine Schritte nach außen, beginnend mit rechts. 3. parasamgaté: vier kleine Schritte nach innen. 4. bodhisvaha: JedeR dreht sich einmal rechtsherum um die eigene Achse und verbeugt sich danach in die Mitte, wobei die Hände wie zum Beten zusammengelegt sind.

Wirkung:

Dieses uralte Mantra (Gehen, weitergehen, bis zur Erleuchtung) langsam singend zu wiederholen bringt den Körper bis tief in die Zellen zum Schwingen. Die in der Langsamkeit sich gut ausbreiten könnenden Vokale eröffnen in und um uns herum große Klangräume voller Obertöne. Die Wiederholung dieser einfachen Gesänge bringen tranceähnliche Zustände. Es ist wie in der Meditation: das Denken hört auf. Das gemeinsame Schreiten ist wie ein gemeinsames Gebet.

Man wird ganz ruhig und innerlich. Indem wir diese Sankrit-Silben selber singen, schließen wir uns an eine tausende Jahre alte Tradition an. Es wird behauptet, daß neue Mantren (z.B. "Ich bin") nicht dieselbe starke Heilwirkung haben wie die Mantren / Lieder, die über Jahrtausende hinweg immer wieder rezitiert / gesungen werden.

 

3. Hallelujah

Dieser Kanon aus Taizé ist vielen bekannt.

Tanzbewegung:

1. Hände in W-Haltung. Walzerschritt gegen den Uhrzeigersinn.

Hallelujah, hallelu, hallelujah
R   L    R    --    L        R    L   --

2. Körper zur Mitte gedreht, wiegen

Hallelujah, halleluu-jaa
R        L          R      L

3. und 4.: Wiederholung
5. Haa-lee-luu-jaa

4 Schritte zur Mitte R, L, R, L, die Arme langsam heben

6. Haa-lee-luu-jaa

Wiegen R, L, R, L. Die Arme bewegen sich mit, wie Palmblätter.

7. Haa-lee-luu-jaa

4 Schritte zurück, die Arme langsam senken

8. Hallelujah, halleluu-jaa

R L R L wiegen (wie 2.).
Hallelujah, halleluu-jaa
R        L          R      L

Wirkung:

Dieses Lied zu singen und zu tanzen ist immer wieder ein überwältigendes Erlebnis. Dieses Mantra beinhaltet alle Schwingungen der ganzen Obertonreihe. Obertöne verstärkt in Gesängen zu erleben ist Heilung pur. Sie ticken sehr feine Prozesse in unserer Aura an. Die Schwingungen der Vokale gehen in Resonanz mit unseren Chakren. Auf der Tagung "Spiritualität im Alltag" in Iserlohn 2003 hatten wir die Möglichkeit, dieses Lied in einer Kapelle zu singen. Die eine Häfte der Gruppe tanzte vorne, die andere Hälfte stand singend auf der Empore und bewegte spontan die Arme wie Palmblätter schwingend hin und her. Ein Endloses Ineinanderreihen von Singen und Tanzen entstand.

Dieses Lied öffnet das Herz; es ist wie ein Ja-Sagen miteinander und zueinander. Auch das gemeinsame Schwingen im Tanz verbindet alle zusammen zu einem singenden, tanzenden Körper.

 

4. Tief in die Erde wie ein Baum geht mein Weg, hoch in den Himmel wie ein Baum geht mein Weg

Dieses einfache Lied kommt aus der Friedensbewegung. Ich begleite es gerne mit der Schamanentrommel. Jede kann sich durch den Raum bewegen, wie sie will, und die Erde und ihre Füße bewußt wahrnehmen. Für mich ist der Baum ein wichtiges Symbol für jede Person. Es ist eine Möglichkeit, die eigene innere Gestalt bewußter wahrzunehmen. Nach dem Singen von diesem Lied und der freien Bewegung sieht die innere Baumgestalt deutlich anders aus. Aus der Gruppe kommen Wahrnehmungen wie "Die Wurzeln haben sich vertieft", "Die Zweige tragen Früchte", "Ich habe das Gefühl, mehr Platz zu haben", "Es ist viel heller geworden um mich herum", "Ich bin ganz entspannt im Körper und gleichzeitig ganz klar im Kopf".

In jeder Kultur der Welt gehören Singen und Tanzen/Bewegung zusammen. Durch die Bewegungen vertiefen sich die Schwingungsräume im Körper. Körper und Seele finden durch das Singen zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Gesungenen Tänze wirken heilend und harmonisierend. Sie bringen die Menschen gleichzeitig zu sich selbst und in die Gemeinschaft der Gruppe.

 

Carien Wijnen,
Berlin Sängerin, Gesangstherapeutin, Ärztin, Dozentin, Heilpraktikerin

Seit 1986 leitet Carien Wijnen zahlreiche Seminare im In- und Ausland über die heilende und stärkende Kraft von Stimme, Körper und Gesang. In ihrem Berliner Zentrum für Gesang & Therapie führt sie regelmäßige Gruppen, Workshops sowie Einzelstunden durch.

Initiatorin von Rainbow Woman Production (CDs mit Heilungs- und Kraftliedern): 1995 "Womyn with Wings", 1998 "Womyn in Circle", 2001 "Womyn on Earth".

Info: Tel & Fax: 030 - 615 21 87

 

 

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